Blog | die börse - (m)eine Liebe

Malzbier auf Erdbeer-Quark

Ein Wettbewerbs Beitrag von Alina Komorek

Der Sommer 1994 war außergewöhnlich heiß. Besonders für meine Mutter, die sich damals hochschwanger von Schattenplatz zu Schattenplatz schleppte und von Erdbeeren mit Quark lebte. Diese Köstlichkeit löffelte sie aus einer großen Schüssel, die sie auf ihrem noch größeren Bauch abstellte.

Alinas Mutter hat den folgenden Text vorgelesen - zuhören lohnt.

 

Der Sommer 1994 war außergewöhnlich heiß. Besonders für meine Mutter, die sich damals hochschwanger von Schattenplatz zu Schattenplatz schleppte und von Erdbeeren mit Quark lebte. Diese Köstlichkeit löffelte sie aus einer großen Schüssel, die sie auf ihrem noch größeren Bauch abstellte.

Es wurde wärmer und wärmer, die Temperaturen krochen täglich weit über die 30-Grad-Marke hinaus, der Bauch wurde dicker und dicker, doch ich ließ auf mich warten.

Nun ist meine Mutter zwar nicht unbedingt der geduldigste Mensch der Welt, aber nichts weiter zu tun, als Erdbeer-Quark zu essen und im Schatten zu liegen, fällt ihr doch recht leicht. Umso verwunderlicher ist es also, dass sie, als die Geburt bereits eine Woche überfällig war, mit meinem Vater einen kleinen Abendausflug unternahm. Verwunderlich ist daran nicht, dass ich nicht am errechneten Geburtstermin das Licht der Welt erblickte, denn das tun nur zwei Prozent aller Kinder, wie es einmal in einem spannenden Artikel der Süddeutschen Zeitung zu lesen war. Verwunderlich ist daran vielmehr das Ausflugsziel: Meine Mutter schob die dicke Babykugel nämlich von der Weststraße aus in Richtung Viehhof, wo sich die börse damals noch befand.

Doch dort durften damals weder Konzerte noch große Feten wie der Wackeltreff stattfinden: Ein Anwohner hatte Anfang der 90er das Kommunikationszentrum wegen Lärmbelästigung vor Gericht gezerrt – und Recht bekommen. Die börse lagerte alles, was laut war, aus, und änderte ihr Konzept am Viehhof, weshalb es dort für einige Zeit einen Biergarten gab.

In genau diesen Biergarten jedenfalls setzte sich meine schwertragende Mutter mit meinem Vater – und irgendwie war ich ja damals auch schon dabei, sonst wäre alles ja viel leichter gewesen und meine Mutter hätte sich vielleicht nicht unbedingt ein Malzbier bestellt. Hat sie aber. Sie trank also ihr Malzbier, während die Nacht und die Dunkelheit die heiße Luft abkühlten. Der Rückweg durch die kühlere Sommernacht fiel ihr bestimmt schon leichter – bevor es dann noch einmal richtig anstrengend wurde: Denn am nächsten Tag war keine Zeit mehr für Quark mit Erdbeeren im Schatten, weil es der Tag meiner Geburt wurde. Der erste kühle Tag seit Wochen.

In der börse war meine Mutter übrigens erst knapp 30 Jahre später wieder, um einen Corona-Test machen zu lassen. Quark mit Erdbeeren liebt sie immer noch, richtig heiße Tage aber nicht so sehr.

Ich hingegen liebe heiße Sommertage sehr – an denen Quark mit Erdbeeren für Erfrischung sorgt. Die börse verorte ich inzwischen vor allem an der Wolkenburg – ein Name, den ich sehr mag. Aber dass ich schon vor meiner Geburt ein kleiner Gast im Biergarten am Viehhof war, freut mich sehr – auch wenn ich mir das Malzbier damals noch mit meiner Mama teilen musste.

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Veröffentlicht am 21.12.2023

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